Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club Ortsgruppe Garching

Respektvolles Miteinander: ADFC-Doppelspitze im Interview

Seit der ADFC-Bundeshauptversammlung Mitte November hat der ADFC eine Doppelspitze: Sarah Holczer und Frank Masurat teilen sich die Führung des Verbands. Wir haben nachgefragt, was sich ändert und welche Pläne sie für den ADFC haben.

Die neue Doppelspitze im ADFC-Bundesvorstand: Sarah Holczer und Frank Masurat.
Die neue Doppelspitze im ADFC-Bundesvorstand: Sarah Holczer und Frank Masurat. © ADFC/Michael Handelmann

Der ADFC hat jetzt eine paritätische Doppelspitze. Was bedeutet das für den ADFC?
Sarah Holczer: Auf der ADFC-Bundeshauptversammlung 2024 beschlossen die Delegierten, dass der Verband eine gleichberechtigte paritätische Doppelspitze bekommen soll, damit er zukunftsfähiger, vielfältiger und repräsentativer wird. Dass ich Teil dieses Führungsduos bin, freut mich sehr, zumal ich vorher bereits als stellvertretende Bundesvorsitzende eng mit Frank Masurat zusammengearbeitet habe. 

Parität ist ein wirksames Instrument, um strukturelle Ungleichgewichte sichtbar zu machen und aktiv auszugleichen. Deshalb freut mich besonders, dass der ADFC moderne Führungsmodelle ernst nimmt und Gleichberechtigung nicht nur fordert, sondern praktiziert. Das stärkt unsere Glaubwürdigkeit, unsere innere Vielfalt und unsere politische Wirkkraft ganz enorm. Die Doppelspitze passt in eine Zeit, in der gesellschaftliche Repräsentation und demokratische Teilhabe wichtiger denn je sind. Der ADFC signalisiert damit, dass er Führung nicht länger als hierarchische Einzelrolle versteht, sondern als geteilte Verantwortung, die unterschiedliche Perspektiven, Erfahrungen und Kompetenzen gleichberechtigt einbindet. So gestalten wir auch die Arbeit im Bundesvorstand: Wir verstehen uns als Gesamtvorstand, in dem alle eigene Schwerpunkte haben, ihre Expertise und Perspektiven einbringen und zusammen als Team arbeiten.

Was sind die wichtigsten Botschaften für den ADFC in den nächsten Jahren?
Frank Masurat: Wir wollen, dass Deutschland zum Fahrradland-Plus wird. Das ist die Vision des ADFC. Wir meinen damit, dass alle, die Radfahren wollen, dies auch sicher tun können: Eltern können ihre Kinder ohne Angst mit dem Rad zur Schule fahren lassen, ältere Menschen steigen gerne aufs Rad und erhalten sich so ihre Fitness. Für den Weg zur Arbeit ist das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel, mit dem sich auch Stress abbauen lässt. Wir wollen zeigen, dass Radfahren Spaß macht, Lebensfreude bringt, die Gesundheit verbessert, und dass Orte durch mehr Radverkehr lebenswerter werden.

Sarah Holczer, ADFC-Bundesvorsitzende
Sarah Holczer, ADFC-Bundesvorsitzende © ADFC/Deckbar Photographie

Radfahren ist soziale und gesellschaftliche Teilhabe, denn Radfahren verbindet Menschen, unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft oder ihren finanziellen Verhältnissen. Wenn wir erreichen wollen, dass Radfahren für alle einfach, sicher und selbstverständlich wird, müssen wir auch im ADFC nicht nur über das Fahrrad als Verkehrsmittel und über Infrastruktur sowie Verkehrsplanung sprechen, sondern den Menschen auch bewusst machen, dass das Fahrrad für Freiheit, Teilhabe und gelebte Demokratie steht. Denn das Fahrrad ist ein demokratisches Verkehrsmittel – weil es allen zugänglich ist.

Frank Masurat, ADFC-Bundesvorsitzender
Frank Masurat, ADFC-Bundesvorsitzender © ADFC/Deckbar Photographie

Radfahren stärkt unsere Demokratie, das ist gerade jetzt wichtig, wo der gesellschaftliche Zusammenhalt zerfasert und populistische Parolen – die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren – in Talkshows oder Parlamenten Beifall finden. Demokratie ist nichts, was wir einmal erreichen und dann für immer behalten. Demokratie lebt davon, dass Menschen Haltung zeigen. Und das tun wir als ADFC: Wir sind mehr als ein Fahrradclub, mehr als eine Interessenvertretung – wir sind Teil einer starken, solidarischen Zivilgesellschaft. Wir setzen uns für sichere Straßen und gute Radwege ein und engagieren uns für eine Gesellschaft, in der Vielfalt und Respekt selbstverständlich sind, — und in der Ausgrenzung keine Chance hat.

Wie kann der ADFC die Menschen erreichen, die mit dem Radfahren bislang nicht viel zu tun hatten?
Sarah Holczer: Radfahren ist eine der wirksamsten und kostengünstigsten Maßnahmen, um Gesundheit und Wohlbefinden zu fördern. Es erhöht die Lebensqualität und senkt CO2-Emissionen. Deshalb wollen wir künftig mehr mit den gesundheitlichen Vorteilen des Radfahrens werben und so für mehr Radverkehr sorgen. Radfahren im Alltag und in der Freizeit hat viele Vorteile: Es kann helfen, schwere Erkrankungen zu vermeiden, verbessert die körperliche und mentale Fitness und fördert die Lebensfreude sowie soziale Kontakte. Das ist wissenschaftlich gut belegt. Radfahren ist also nicht nur für die eigene Gesundheit wichtig, es hilft auch, Kosten im Gesundheitssystem und bei den Unternehmen zu senken.
Der Radtourismus, die Fahrradbranche mit ihrer Produktion, der Fachhandel, die vielen Dienstleistungen und Services rund ums Fahrrad sind für die deutsche Wirtschaft von wachsender Bedeutung. Auch das betriebliche und gesundheitliche Mobilitätsmanagement mit dem Fahrrad wollen wir weiter stärken – mit dem Projekt „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“, aber auch zusammen mit Unternehmen, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, damit das Fahrrad zum Standortfaktor wird.
 
Wie macht man Menschen Lust auf Veränderungen?
Frank Masurat: Mehr Radverkehr bedeutet definitiv mehr Lebensqualität für alle Menschen in Deutschland – für Radfahrende ebenso wie für alle anderen. Fahren Menschen ihre kurzen und mittleren Wege mit dem Fahrrad, wird der übrige Verkehr leiser und flüssiger, außerdem gibt es dann weniger Schadstoffe und Gestank in der Luft. So werden Flächen frei und es entstehen Begegnungsräume für Menschen. Die Zunahme an Lebensqualität durch mehr Radverkehr ist ein Ziel des ADFC. Wir setzen uns für die Veränderungen ein und machen sie für die Menschen sichtbar und erlebbar.

Der ADFC will nicht „kommentierender Zaungast“ in politischen Debatten sein – gibt es konkrete Planungen oder Projekte, die der Verein angehen will?
Frank Masurat: Das Fahrrad hat das Potenzial, ein lebenslanger und flexibler Mobilitätspartner zu sein. Das wollen wir mit Herz und Charme über unsere Aktivitäten und in unserer Kommunikation vermitteln. Auf politischer Ebene treten wir für einen starken Radverkehr als sichere, gesunde, nachhaltige und komfortable Mobilitätslösung ein – und untermauern das mit Argumenten und Daten: Mit der Fraunhofer Klimastudie haben wir die Potenziale des Radverkehrs für Deutschland aufgezeigt. Wir haben mit der StVG-Reform für bessere gesetzliche Rahmenbedingungen gesorgt. Damit hören wir nicht auf: Wir werden den Radverkehr weiter stärken – als ADFC, aber auch in Kooperationen und Bündnissen.
Wir stehen den Verwaltungen des Bundes, der Länder und der Kommunen beratend und begleitend zur Seite – lösungsorientiert und wissensbasiert. Der ADFC meckert nicht von der Tribüne, er coacht und macht vor! Deshalb beobachten wir die Entwicklungen des Radverkehrs hier und in anderen Ländern, bewerten sie und leiten Handlungsempfehlungen, Best-Practice-Beispiele und Entwicklungen daraus ab. Priorität hat für uns dabei immer eine sichere, lückenlose Infrastruktur, eine funktionierende Intermodalität und ein respektvolles Miteinander im Verkehr.


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